Man schrieb den 10. Dezember 2021, als ich auf Instagram zufällig auf einen Beitrag von Zermatt Bergbahnen aufmerksam wurde. „Wir ersetzen 154 Matterhorn-Express-Gondeln“ stand da zu lesen und sogleich kribbelte es in mir.
Die Idee
Schon öfters habe ich mir Gedanken gemacht, was denn eigentlich mit alten ausrangierten Gondeln passiert und ob man sich die vielleicht kaufen könnte.
599 Schweizer Franken (ca. 580 Euro) für eine gerade mal 20 Jahre alte Omega-III-Gondel, noch dazu vom berühmten Matterhorn-Express, war unschlagbar. Im ganz normalen Online-Shop von Zermatt Bergbahnen konnte man sich seine Wunsch-Kabine unkompliziert erstehen.
Der Kauf
Blieben aber noch diverse Unsicherheiten, die mich zögern liesen. Vor allem die Transportfrage … wie bekommt man das Teil von der Schweiz nach Hause? Gibt es am Zoll etwas zu beachten? Ist das nicht zu verrückt? Also den Gedanken erstmal wieder beiseitegeschoben… Wenige Stunden später war das Angebot im Online-Shop schon deutlich zusammengeschrumpft.
Also warum nicht mal was verrücktes tun? Die Gondel mit der Nummer 119 in den Warenkorb gelegt, gezahlt per Kreditkarte, Bestellbestätigung bekommen. WAAAHNSINN, wir stellen uns eine ausrangierte 8er-Gondel in den Garten. Noch 2020 fuhren wir mit dem Matterhorn Express von Zermatt auf dem Trockenen Steg.
Glücklicherweise war die Vorlaufzeit für die Organisation des Transports lange genug, da die Kabinen in der Saison 2021/2022 noch im Einsatz waren und eine Abholmöglichkeit erst für April/Mai 2022 in Aussicht gestellt wurde.
Vorbereitungen
Fortan begann die Planung für Abholung und Aufstellung. Wohin im Garten? Braucht es ein spezielles Fundament? Wie groß ist das Teil eigentlich genau? Hat es überhaupt Füße zum Hinstellen? Ein paar Mails mit Zermatt Bergbahnen und dem Hersteller CWA in Olten (Kanton Solothurn) brachten Klarheit und die Standmaße waren geklärt. Auch der Aufstellort ist alsbald gefunden. Also auf in den Baumarkt und Material für vier Fundamente besorgt, die Arbeit fürs Wochenende war somit klar: Buddeln, Beton anmischen, ausgießen, aushärten lassen. Am nächsten Tag noch dicke Haken ins Fundament geschraubt, um die Gondel später einigermaßen sturmsicher fixieren zu können.
Dann hieß es warten auf den großen Tag. Die Transportfrage konnte glücklicherweise zwischenzeitlich geklärt werden, dank der unkomplizierten Unterstützung der Geschäftsleitung von Hörgeräte Eisen (PKW mit Anhängerkupplung) und der Fa. Gessler Bau in Kleinried (Anhänger mit 4×2 Meter Ladefläche). Als Abholtermin wurde der Vormittag des 23. Mai 2022 gebucht und da lag es natürlich nahe, das Ganze mit einem kleinen Wochenend-Kurzurlaub am Matterhorn zu verbinden.
Ein bisschen unklar aber war bis zuletzt noch die Sache mit dem Zoll. Freunden, die beruflich mit Import/Export zu tun haben sei Dank, konnte auch das geklärt werden. Der Vollständigkeit halber noch ein Anruf beim Zollamt, wo meine Fragen nicht ohne ein gewisses Schmunzeln aufgenommen wurden. Gondeln werden halt nicht jeden Tag über die Grenze befördert.
Samstag, 21. Mai 2022, 8.35 Uhr: Abfahrt in die Schweiz.
Der Routenverlauf: A6 bis Kreuz Weinsberg – A81 über Stuttgart und weiter bis Dreieck Bad Dürrheim – B27 über Donaueschingen bis Blumberg – B314 bis Waldshut-Tiengen – Grenze Schweiz – Döttingen – Brugg – A1 Richtung Bern.
Nach gut 6 Stunden machten wir eine Pause am Rasthof Grauholz, wo wir bereits von unseren Schweizer Freunden Karin und Urs mit Hündin Gislip erwartet wurden. Ein erstes Wiedersehen nach vier Jahren. Nach der wohlverdienten Stärkung ging die Reise weiter…
…auf der A1 vorbei an Bern, irrtümlich aber dann nicht auf die A12 Richtung Vevey abgebogen – Bei Yverdon-les-Bains Wechsel auf die A9 – Lausanne – Vevey – Montreux – Rhonetal. In Visp verließen wir das Rhonetal zur letzten Etappe nach Täsch, dem letzten mit dem Auto erreichbaren Ort vor Zermatt. Dort angekommen, stellten wir den Hänger auf dem Parkplatz des Hotels „Matterhorn Inn“ ab und genehmigten uns erstmal eine kleine Ruhepause sowie ein leckeres Abendessen. Der nächste Tag sollte dann ganz im Zeichen des Matterhorns stehen…
Sonntag, 22. Mai 2022: Ein Tag am Matterhorn
Nach einem guten Frühstück fuhren wir aber erstmal zum Parkplatz am Schalisee, denn da standen sie und warteten auf Abholung, ein paar Dutzend Gondeln des Matterhorn Express. Wir suchten und fanden „unsere“ Nummer 119. Morgen würden wir sie dann abholen und nach Deutschland „entführen“.
Von Täsch fuhren wir mit dem Zermatt Shuttle in den berühmten Ferienort am Fuße des noch berühmteren 4478 Meter hohen Matterhorns. Einfach nur kurz „Horu“ nennen es die Walliser. Nach einem Spaziergang durch das Bergsteigerdorf bestiegen wir die Gornergrat-Bahn, welche uns über gut 600 Höhenmeter zur auf 2222 m.ü.M. gelegenen Station Riffelalp mit dem gleichnamigen Hotelkomplex brachte. Über Schneereste des Winters und schöne Waldwege gelangen wir zum wohl bekanntesten Aussichtspunkt auf die Gornergrat-Bahn mit dem Matterhorn im Hintergrund. Leider war der Himmel nicht ganz so blau wie sonst im Wallis. Nach der obligatorischen Foto- und Videorast spazierten wir zurück zur Haltestelle Riffelalp und fuhren eine Station talwärts nach Findelbach, von wo aus wir nach Überquerung des spektakulären Findelenbachviaduktes nach Zermatt zurück wanderten.
Und weil die Beine noch nicht müde genug waren, liefen wir auch noch die 6km zurück nach Täsch, Abstecher am Heliport der Air Zermatt und Gewitter samt Regen inklusive 🙂
Trocken legen, Abendessen, die Aufregung steigt …
Montag, 23. Mai 2022
Frühstück muss sein, auch wenn wir am liebsten sofort losfahren mochten. Nach dem Auschecken kuppelten wir den Hänger an fuhren wieder zum Parkplatz „Schalisee“, wo die Verladung der Gondeln schon in vollen Gange war. Etliche weitere „Verrückte“ standen bereit mit Anhängern und Kleinlastern, aber auch ein Sattelzug aus Österreich, dem gleich 8 Stück aufgeladen wurden.
Schnell waren wir an der Reihe und Nummer 119 schwebte am Haken heran und die ca. 350kg Stahl und Aluminium wurden punktgenau auf unseren Anhänger gesetzt. Noch den gut 100kg schweren Gehängearm dazugelegt und mit Hilfe der zwei netten Herren vom Verladedienst alles gut festgezurrt.
704 km lange Heimreise mit Hindernissen
Erste Etappe: Ca. 800 Höhenmeter durch das Mattertal hinunter nach Visp, rhoneabwärts über Sion, Martigny am Rhoneknie, Montreux und Vevey am Genfer See. An der langen Steigung bei Châtel-Saint-Denis machte es im Motorraum plötzlich laut KLACK, keine Leistung mehr, raus auf den Pannenstreifen, Warndreieck aufgestellt, nach ein paar Minuten nochmal probiert, ohne Erfolg. Anruf beim ADAC in Deutschland, wo sich eine Mitarbeiterin sehr freundlich um uns kümmerte und die Angelegenheit an den Schweizer TCS weitergab. Der Pannenhelfer, der nach gut einer Stunde eintraf, sprach allerdings nur Französisch, schließlich stehen wir ja in der französischen Schweiz. Dank Google Übersetzer war dies aber zu bewältigen. Er fand den Fehler blitzschnell, ein Schlauch des Turbosystems hatte sich gelöst, eine Weiterfahrt war dann zwar möglich, wurde uns aber nur bis zur nächsten Werkstatt erlaubt. Diese fanden wir in Bulle, wo sich uns ein deutsch sprechender Mitarbeiter annahm.
Das Ersatzteil hätte erst bestellt werden müssen, Lieferzeit ungewiss, natürlich keine Option mit unserer wertvollen Fracht. Also wird der defekte Schlauch kunstvoll mittels einiger Kabelbinder befestigt. Man entließ uns mit der Bemerkung „Das hält locker 2000km“. Was waren wir froh, als es mit 4 Stunden Verspätung endlich weitergehen konnte.
Da bis zu unserer Ankunft das Zollamt an der Grenze bei Waldshut geschlossen hatte, musste die geplante Route geändert werden und wir steuerten stattdessen Rheinfelden an. Was wir denn anzumelden haben? Eine Gondel? Schon wieder eine? Offenbar waren wir nicht die ersten;-) Nun ließ noch der deutsch-schweizerische Amtsschimmel grüßen, ein Formular hier, ein Stempel da, alles rein analog in Papierform. Nach Zahlung der Pauschalabgabe i.H.v. 15% ging es auf die letzte Etappe.
Auf deutscher Seite führte uns die Route den Rhein entlang bis Waldshut-Thiengen, wo wir eigentlich die Zollformalitäten erledigen wollten. Noch in der Ortschaft stand der deutsche Zoll am Straßenrand, welcher uns nach kurzer „Verfolgung“ tatsächlich rauswinkte. Unsere Ladung wurde mit einem kleinen Schmunzeln zur Kenntnis genommen, die Zollpapiere kontrolliert. Wir waren ja vorbereitet, alles in Ordnung.
Nach weiteren viereinhalb Stunden Fahrt kamen wir endlich zu Hause an und fielen erschöpft ins Bett.
Unser Anhängerverleiher Heinrich kam am nächsten Morgen mit einem Kran und bald darauf tritt die Gondel ihre letzte Fahrt in unseren Garten an, wo sie passgenau auf die vorbereiteten Fundamente schwebt. Nun mussten wir im nächsten Baumarkt erst noch einen 12er-Inbus-Schlüssel besorgen, mit dem die Türmechanik von außen bedient werden kann. Nach der obligatorischen Putzaktion erstrahlte das Gondeli im neuen Glanz und nach dem Einbau eines Tisches dient sie uns nun oft und gerne als sehr außergewöhnliches Gartenhäuschen. Sie sorgte und sorgt in unserem kleinen Dorf für einiges Aufsehen und neugierige Blicke 🙂